Kafka wurde nach dem Abitur insgesamt dreimal zur militärischen Musterung vorgeladen und schließlich wegen seiner unzureichenden körperlichen Verfassung (vermutlich Untergewicht) für nicht militärtauglich befunden. Nach den enormen Verlusten an Soldaten und Offizieren, die Österreich-Ungarn gleich nach Kriegsbeginn 1914 erlitt, wurden jedoch auch die ehemals ›Untauglichen‹ erneut gemustert.
Im Juni 1915 wurde Kafka für den ›Landsturmdienst mit der Waffe‹ für geeignet befunden. Seine Vorgesetzten in der Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt reklamierten ihn jedoch sofort als unersetzliche Fachkraft und hatten mit diesem Antrag auch Erfolg. Obwohl Kafka mündlich wie schriftlich um Aufhebung der Reklamation bat, wurde sie in den folgenden Jahren immer wieder erneuert. Kafka wurde pro forma einem Infanterieregiment zugeteilt, blieb jedoch vom Kriegsdienst verschont.
Die langfristige Freistellung Kafkas durch die Militärbehörden hatte zwei wesentliche Gründe: Zum einen die Beharrlichkeit der Vorgesetzten, die ihn auch menschlich schätzten und ihn – dies geht aus Kafkas Tagebüchern klar hervor – nicht nur als Experten behalten, sondern auch vor Verletzung und Tod bewahren wollten. Ein weiterer Grund war offenbar, dass Kafka in seiner Behörde umfangreiche Aufgaben in der ›Kriegerfürsorge‹ wahrzunehmen hatte, was als kriegswichtige Tätigkeit akzeptiert wurde.