Die Vorstellung, dass Kafka politische Ereignisse nicht zur Kenntnis nahm, ist falsch. Es gibt in seinen Tagebüchern und Briefen etliche Hinweise darauf, dass er täglich Zeitung las, überwiegend das liberale Prager Tagblatt, häufig das Berliner Tageblatt, in den Prager Kaffeehäusern gewiss auch noch andere Blätter, die dort in großer Zahl verfügbar waren. Während des Krieges versuchte er sich auch ausländische Zeitungen zu beschaffen; während der späteren monatelangen Kuraufenthalte hielt er sich mit Provinzzeitungen auf dem Laufenden. Als Kafka in seinem letzten Lebensjahr in Berlin lebte, ließ er sich sogar die ausgelesenen Zeitungen der Eltern zusenden; außerdem las er am Steglitzer Rathausplatz die ausgehängte Berliner Presse, die er sich aufgrund der Geldentwertung nicht mehr leisten konnte.
Die Tagespresse in Prag, vor allem der Wirtschaftsteil, dürfte für Kafka auch aus beruflichen Gründen von Bedeutung gewesen sein. Überdies war es während des Krieges geradezu überlebenswichtig, die amtlichen Bekanntmachungen in der Presse genau zu verfolgen, da der Bezug von Nahrungsmitteln und Kohle, aber auch andere öffentliche Interessen wie Fahrpläne, Reisebeschränkungen, Telefonverkehr usw. durch ständig neue Bestimmungen geregelt wurden.
Das Radio als neues Medium politischer Information hat Kafka nicht mehr erlebt. Zwar begann die Ausstrahlung regelmäßiger Funkprogramme bereits ein halbes Jahr vor seinem Tod; diese Programme wurden jedoch zunächst mit Musik und kulturellen Wortbeiträgen bestritten. Ein Radioempfänger und die anfangs sehr hohen Gebühren hätten Kafkas finanzielle Möglichkeiten ohnehin überschritten.