Ottilie Kafka, genannt Ottla, geboren am 29. Oktober 1892 in Prag, war die jüngste Schwester Franz Kafkas. Nach dem Besuch der deutschen Mädchenschule in der Fleischergasse wechselte sie vermutlich wie ihre beiden älteren Schwestern auf ein privates Fortbildungsinstitut. Nach dem Ende ihrer Schulausbildung arbeitete sie als einzige der Geschwister im elterlichen Geschäft.
Von den drei Schwestern stand sie Kafka bei weitem am nächsten. Unter seinem Einfluss interessierte auch sie sich für die zionistische Bewegung und trat dem ›Klub jüdischer Frauen und Mädchen‹ bei. Als sie sich während des Ersten Weltkriegs entschloss, ein kleines Gut in dem westböhmischen Dorf Zürau zu übernehmen, das der Familie ihres Schwagers Karl Hermann gehörte, unterstützte ihr Bruder sie dabei, diese Entscheidung auch gegen den heftigen Widerstand des Vaters durchzusetzen.
Von Mitte April 1917 bis zum Herbst 1918 bewirtschaftete Ottla Kafka das Zürauer Gut, und von September 1917 bis April 1918 nahm sie dort auch ihren Bruder auf, der nach dem Ausbrechen seiner Lungenkrankheit Erholung auf dem Land suchte. Ab November 1918 besuchte sie eine landwirtschaftliche Schule im nordböhmischen Friedland. Im März 1919 kehrte sie nach Prag zurück; Versuche, eine Stellung in einem landwirtschaftlichen Betrieb zu finden, scheiterten.
Am 15. Juli 1920 heiratete Ottla Kafka den katholischen Tschechen Josef David. Die Beziehung zu David hatte bereits vor dem Krieg begonnen; ihre Eltern hatten davon allerdings erst nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst erfahren. Hermann Kafka brachte bei aller Sympathie für den Bräutigam Bedenken gegen dessen Nationalität und Religion vor, aber wiederum setzte sich Ottla Kafka in heftigen Auseinandersetzungen mit dem Vater durch.
Die Geburt der beiden Töchter Věra (1921) und Helene (1923) und deren Entwicklung wurden von Franz Kafka mit großer Anteilnahme verfolgt; auch bemühte er sich um ein gutes Verhältnis zum Ehemann seiner Schwester. Im Sommer 1922 verbrachte er mit der Familie David drei Monate auf dem Land in Planá nad Lužnicí. Ottla war es auch, die in Kafkas letzten Jahren, während seiner krankheitsbedingten Abwesenheit von Prag, die Unterhandlungen mit seinen Vorgesetzten führte, um Verlängerungen seiner Urlaube oder seine Pensionierung zu erwirken. In Kafkas letztem Lebensjahr besuchte sie ihn in Berlin und Kierling und hielt den Kontakt zu ihm brieflich aufrecht.
Ottla Davidová lebte mit ihrem Mann in keiner glücklichen Ehe; die lange Trennung durch den Krieg — bei seiner Rückkehr fand Josef David statt des jungen Mädchens eine reife, durch selbständige Landarbeit geprägte Frau vor —, mehr aber noch die konservative und tschechisch-nationale Haltung Davids, die der Erziehung und der Persönlichkeit seiner Frau entgegengesetzt war, hatte daran Anteil. Im Februar 1940 wurde die Ehe, die Ottla Davidová vor der Judenverfolgung schützte, formell ›getrennt‹; im August 1942 wurde Ottla nach Theresienstadt deportiert. Anfang Oktober 1943 begleitete sie einen Transport polnisch-jüdischer Kinder nach Auschwitz; unmittelbar nach ihrer Ankunft, am 7. Oktober, wurde Ottla Kafka dort ermordet.