Es gehört zum besonderen Reiz von Kafkas überlieferten Manuskripten, dass sie tiefe Einblicke ermöglichen in den Assoziationsfluss und in den Prozess der inneren Umgestaltung von szenischen Einfällen und Bildern. Eine gründliche Untersuchung der Manuskripte mit dem Ziel, Kafkas Arbeitsweise zu erhellen, steht bisher jedoch aus.
Von größter Bedeutung für eine solche Untersuchung wären natürlich nicht zuletzt Kafkas Fehlleistungen, die auf ein momentanes Versagen der bewussten Kontrolle zurückgehen. Kafka hat sich häufig auf interessante Weise ›verschrieben‹. Zwar hat er es meist sofort bemerkt und korrigiert, doch auch ihm dürfte klar gewesen sein, dass es sich nur selten um bloße Zufälle handelte. – Drei Beispiele:
— An entscheidender Stelle in der Verwandlung, kurz vor dem endgültigen Untergang des Helden Gregor Samsa, wollte Kafka schreiben: »Sein letzter Blick streifte die Mutter ...« Statt dessen schrieb er zunächst: »Sein letzter Brief ...« Offenbar ein Reflex der lebenswichtigen Bedeutung, die der Briefverkehr mit Felice Bauer seit einigen Wochen für Kafka gewonnen hatte.
— Im Manuskript des Process schreibt Kafka stets »F.B.« für »Fräulein Bürstner«. Auf zwei aufeinander folgenden Manuskriptseiten schreibt er jedoch zunächst »F.K« und muss verbessern (siehe Abbildungen). Über die Bedeutung darf man spekulieren: Franz Kafka, Felice Kafka, Fräulein Kafka ... Wenige Wochen zuvor war die Verlobung mit Felice Bauer aufgelöst worden.
— In der unvollendeten Erzählung über einen »älteren Junggesellen« namens Blumfeld kürzt Kafka den Namen seines Helden durchgängig mit »Bl.« ab. Auch hier unterläuft ihm zweimal ein »K«, vermutlich deshalb, weil er in Gedanken noch beim Process ist, dessen Niederschrift er kurz zuvor abgebrochen hat und dessen Protagonist Josef K. heißt.